Der Ösi in Kawasaki

Verrückt in Japan – Wie schräg ist der japanische Alltag wirklich?

Niedlicher, bunter, lauter – Japan wird im Westen ja gerne als das Land der schrillen Kuriositäten dargestellt. Zum zweiten Jahrestag spreche ich über Mode, Selbstdarstellung und Parfüm-Verbote. Ich verrate euch, wie ich mich als “wilder Westler” in einer kollektivistischen Gesellschaft zurechtfinde und wo man in Japan die Sau rauslässt.

Dies ist die 30. Folge meines Podcasts „Der Ösi in Kawasaki“ als Blogartikel zum Nachlesen. Anhören könnt ihr sie übrigens direkt hier, sowie auf Spotify und Apple.

Servus und konnichiwa zu einer neuen Folge. Hier ist Alex, euer Ösi in Kawasaki. Schön, dass ihr wieder oder vielleicht ganz neu mit dabei seid. Heute gibt es was zu feiern! Nicht nur ist das die mittlerweile 30. Folge meines Podcasts. Es ist auch schon genau zwei Jahre her, dass mein Mann und ich in unser bisher größtes Abenteuer gestartet sind. Für ein paar Jahre nach Japan zu ziehen war ein absoluter Traum – der wahr wurde, weil mein Mann von seinem Unternehmen aus hierher entsendet werden konnte. Das war alles einfach eine glückliche Fügung des Schicksals, die wir kein einziges Mal bereut haben.

Mir kommt es ja so vor, als hätte ich die erste Jahrestagsfolge gerade erst aufgenommen. Es ist ein Wahnsinn, wie die Zeit verfliegt. Und obwohl wir uns die Zeit hier etwas anders – also vor allem ohne Pandemie – vorgestellt hatten, genießen wir das Leben hier sehr, wie ihr in den bisherigen Folgen ja unschwer hören konntet. Mein Podcast ist eines meiner vielen Hobbys, insofern erscheint er eher unregelmäßig und eben nur dann, wenn ich euch auch wirklich was Neues zu erzählen habe. 

 

Japan – Land der Kuriositäten?

Heute möchte ich mich ein paar weitverbreiteten Annahmen über Japan widmen. Davon gibt’s sehr, sehr viele. Gerade im westlichen Fernsehen, auf YouTube oder Blogs pickt man sich gerne die bizarrsten Dinge heraus. Exotische, fremde Dinge. Man könnte glatt den Eindruck gewinnen, Japan sei ein Land voller verrückter Kuriositäten.

Klar, aus einer westlichen Perspektive ist es eine ferne und fremde Kultur, die man außerhalb nicht so recht versteht. Wer kulturelle Unterschiede sucht, wird sie hier auch wirklich sehr schnell finden. Und das ist auch gar nicht verrückt, sondern völlig normal. Ich möchte mich heute konkret der Frage widmen, wie schillernd, quietschbunt, laut und super-niedlich denn mein Alltag in Japan wirklich ist. Vielleicht kann ich auch mit dem ein oder anderen Vorurteil aufräumen.

Obwohl ich Podcaster bin – und das kommt jetzt für viele sicher sehr überraschend – habe auch ich tatsächlich nicht die ganze Wahrheit gepachtet. Verzehrt die heutige Folge bitte mit einer Prise Salz. Ich schildere euch hier meine ganz subjektive Wahrnehmung, teils angereichert mit ein bisschen Recherche. 

 

Quietschbunte Outfits wie im Manga?

Schaut man sich Anime und Manga an, könnte man glatt den Eindruck gewinnen, Japanerinnen und Japaner liefen ständig in quietsch-bunten Kleidchen und mit den ausgefallensten Haarfarben herum. Bonbonrosa und zuckersüß wie die Kirschblüte. Mein Urteil? Mythos!

Wenn ich unterwegs bin und ein Mädchen von hinten sehe, das blitzblau oder pink gefärbte Haare hat, kann ich mir in 8 von 10 Fällen sicher sein, dass es sich hier um eine Touristin aus dem Westen handelt. Also zumindest, als es in Japan noch Tourist:innen gab. Ein Mädchen, das halt ein großer Anime-Fan ist und vielleicht auf Cosplay steht. (Cosplay ist übrigens ein Rollenspiel, bei dem man eine Figur aus einem Manga, Anime oder Videospiel möglichst originalgetreu darstellt.)

Das ist tatsächlich eine sehr Faszinierende japanische Pop-Subkultur, die auch im Westen sehr bekannt ist. Genauso faszinierend sind aber auch die vielen Regelungen zum Cosplay. So gilt es als total unangebracht, sich in der Öffentlichkeit, also außerhalb einer dezidierten Eventlocation, im Cosplay-Outfit zu zeigen. Die Event-Teilnehmer:innen sind ersucht in normaler Kleidung anzureisen und sich dann erst vor Ort zu kostümieren. Eine Ausnahme wäre es, wenn die Person ein solches Kostüm in der Arbeit tragen muss – beispielsweise als Rüschenrock-tragendes Dienstmädchen in einem Maid Café. Gerade im Stadtteil Akihabara sieht man recht viele kostümierte Personen oder einfach Leute, die – sagen wir mal, “abseits der Norm” – gekleidet sind. Auch um Shibuya und Harajuku sieht man viele modische Freigeister und Trendsetter. Das finde ich immer sehr erfrischend. Und seit ich für diese Folge recherchiert habe sind mir tatsächlich so einige Japanerinnen mit blassblau gefärbten Haaren aufgefallen. Das ist wohl gerade in.

Die Regel, sich nicht im Cosplay-Kostüm öffentlich herumzutreiben, basiert wohl darauf, die “ganz normalen” Passant:innen nicht zu stören. Eben die Leute, die ihrem “ganz normalen Alltag” nachgehen. Ab einem gewissen Alter gilt es auch als unangebracht, sich zu sehr für Manga und Anime zu interessieren. Es wird ja beispielsweise auch in Österreich gerne mal belächelt, wenn ein Mittdreißigjähriger ein bisschen zu sehr in Comics vernarrt ist.

 

Beige und noch mehr Beige – die japanische Alltagsmode

Und wenn wir jetzt einen Blick auf eben diese “normalen Passant:innen” werfen, wird eines sofort klar: Individualismus hat im tokioter Alltag einen völlig anderen Stellenwert als im Westen. Einen drastisch niedrigeren. Vor allem unter der Woche ist das Stadtbild geprägt von einem Strom an weitestgehend homogen wirkenden Menschen. Die meisten Männer sehen aus wie frisch vom Herrenausstatter. Sie tragen dunkle Anzüge, weiße Hemden, Lederschuhe, und sind glatt rasiert. Im Hochsommer darf es dann gerne ein weißes Kurzarmhemd sein. Das alles ist weniger ein Fashion Statement, als vielmehr die Regel, wie sich ein guter Salariman, ein Büroangestellter, zu kleiden hat. Es gehört sich halt so.

Dieser Salari-man kann spät nachts nach Alkohol, Zigaretten und Knoblauch duftend aus dem Izakaya wanken und dann im Zug schlafen – solange er dabei seinen Anzug trägt, nimmt es ihm keiner übel. Er hat halt hart gearbeitet und sich eine kleine Auszeit verdient.

Bei Frauen dominieren Pastellfarben und erdige Töne, insbesondere beige Trenchcoats sind in der Übergangszeit der letzte Schrei. Weit geschnittene Röcke und Stöckelschuhe machen das Outfit dann komplett. Auffällige Muster oder knallige Farben sucht man zumindest im Berufsalltag vergeblich. Das Motto scheint zu lauten: elegant und gut gekleidet, ja, aber lieber möglichst unauffällig. 

Ob also jemand wirklich einen herausragenden Kleidungsstil hat und ein Fashion Statement setzen will, erkennt man dann vielmehr an winzigen Details. Bei Männern zum Beispiel, ob die Lederschule frisch poliert sind. Daran, wie gut der Anzug sitzt, ob die Hosenbeine auf die perfekte Länge gekürzt sind, und so weiter. Mitunter zeigen sich Stil und Status aber auch am Verhalten natürlich.

 

Unterordnen statt Herausstechen – Individualismus in Japan

Das Individuum ist erst in der Gruppe stark. Japan gilt ja als kollektivistische Gesellschaft, wo die Harmonie in der Gruppe eine viel wichtigere Rolle spiele als das Ausdrücken individueller Meinungen. Das steht in einem krassen Gegensatz zum Westen, allen voran den USA, wo Selbstdarstellung und persönliche Freiheit ja das Um und Auf sind.

Mir ist das Letztere schon deutlich vertrauter. So bin ich aufgewachsen und sozialisiert worden. Gleichzeitig finde ich die Gruppendynamik in Japan und im Besonderen Tokio aber auch sehr spannend. Gute Manieren und Rücksichtnahme auf andere haben einen extrem hohen Stellenwert. Nicht durch lautes oder rüpelhaftes Benehmen unangenehm aufzufallen. Das stellt sehr vieles, was man tagtäglich in Österreich erlebt, in den Schatten – auch was den Service und das Sicherheitsgefühl betrifft.

Die anerzogene Devise im japanischen Alltag lautet jedenfalls – vereinfacht gesagt – “Unterordnen statt Herausstechen”. Und das betrifft eben auch das Outfit. Diese Unterordnung, die Uniformierung, beginnt da nicht etwa erst im Berufsleben. Bereits kleinste Schulkinder tragen eine Schuluniform: Sakko und Krawatte, dazu biedere Mokassins aus Leder, wie man sie sonst an einem 70-jährigen Mann erwarten würde. Irgendwie süß, aber für mich doch auch etwas befremdlich.

 

Super stylish in den Park?

Was die Freizeitkleidung betrifft, bin ich immer erstaunt, wie minimalistisch und gleichzeitig elegant viele Leute gekleidet sind. Sogar jugendliche Mädchen und Burschen, die sich im Park zum Picknick verabreden, wirken da auf meine westlichen Augen oft super stylish; fast schon ein bisschen elitär. Das könnte auch eine rein Tokio-spezifische Erscheinung sein. 

Aber wenn ich das vergleiche mit dem Durchschnitts-Outfit in Wien … 

Jedenfalls dominieren auch in der Freizeitmode erdige Farben und Pastelltöne. Große aufgedruckte Markenlogos? Fehlanzeige. Wobei sündhaft teure Designer-Handtaschen durchaus für viele zum guten Ton gehören. Auffallend sind auch die luftig-lockeren Schnitte – sowohl bei Frauen als auch Männern. Figurbetonte Kleidung oder gar tiefe Ausschnitte sieht man hier ganz selten. Statt Shorts tragen Frauen im Sommer auch eher hochgeschlossene, aber sehr luftige Kleidung – vermutlich auch als Sonnenschutz beziehungsweise konkret Schutz vor dem (bei vielen verpönten) Braunwerden.

 

Erkennungsmerkmal: Ösi

Aus Ausländer in Japan – will man sich da unterordnen? Wie erträgt man diese kollektivistische Ausrichtung überhaupt?

Ich muss sagen: bis zu einem gewissen Grad färben manche dieser Modetrends durchaus auch auf mich ab. 

In Österreich habe ich doch öfter buntere, gemusterte oder halt etwas ausgefallenere T-Shirts getragen. Die hängen seit unserem Umzug jetzt unbeachtet im Kleiderschrank. In der Freizeit greife ich hier lieber zu deutlich gedeckteren Farben, seien es Poloshirts oder Pullis. In knalligen T-Shirts käme ich mir irgendwie Fehl am Platz und einfach zu auffällig vor. Gerade als westlicher Ausländer und mit mittelblonden Haaren falle ich hier auch ganz ohne Signalfarben auf. Davon abgesehen stehen mir erdige Töne auch tatsächlich besser.

Solche Erzählungen stoßen bei meinen Freunden in Österreich oft Unverständnis. Es mache doch Spaß, sich selbst auszudrücken. Sich auffälliger oder halt möglichst individuell anzuziehen. Sich selbst auszudrücken statt sich unterzuordnen. Weil das gilt ja als langweilig und spießig. Klar, manchen Leuten macht so etwas besonders viel Spaß und die haben auch ein Geschick dafür. Das ist extrem cool, und ich will das niemandem absprechen. Wenn ich einen Auftritt habe und auf der Bühne stehe, ist mir das ja eh auch wichtig. Aber im Alltag reicht es mir persönlich eigentlich, gut und halbwegs ordentlich gekleidet zu sein, ohne aufregenden Firlefanz. Und seit ich in Japan lebe, fällt mir die morgendliche Kleidungsauswahl viel, viel leichter.

 

Parfüm-Verbot im Sushi-Laden!

Was fast gänzlich aus meinem Leben verschwunden ist, ist Parfüm. Wie schon einmal erzählt, hat sich Parfüm in Japan nie etabliert. Hier wurde immer schon fleißig gebadet und es gab nie die Notwendigkeit üble Gerüche mit Düften zu übertünchen. 

Die japanischen Nasen sind Parfüm deshalb nicht gewohnt. Meine auch nicht mehr. Ich reagiere mittlerweile viel, viel sensibler auf Parfüms. Beim Österreich-Besuch sind sie mir sehr oft unangenehm aufgefallen. Dass man sich in der Duftwolke einer fremden Person wiederfindet. Und diese Düfte haben ja meist auch nichts Natürliches, sondern sind einfach nur penetrant und künstlich und Kopfweh-fördernd. Sorry, ich wollte an dieser Stelle keine Wutrede gegen die Parfümindustrie lostreten. Meinen lieben Mitmenschen in der Heimat möchte ich nur ans Herz legen: oft ist weniger tatsächlich mehr.

Und hier in Japan sowieso. Parfüm wird als eher störend empfunden. Nicht nur an manchen Schulen und Unternehmen ist das Tragen von Parfum daher ganz verboten. Sogar manche teuren Restaurants, wie edle Sushi-Lokale, bitten die Gäste vorab, beim Besuch kein Parfum zu tragen, weil es die Geschmackswahrnehmung stört.

Ihr braucht euch an dieser Stelle übrigens nicht um die japanische Beauty-Industrie zu sorgen. Als Ausgleich für die entgangenen Parfüm-Verkäufe gibt es eine unfassbare Auswahl an Kosmetikprodukten und auch Schönheitseingriffen. Liebe Grüße an dieser Stelle an meinen Beauty Doc, von dem ich euch vor einiger Zeit erzählt hatte.

 

Süß statt sexy – alles Kawaii, oder was?

In westlichen Medien – und Köpfen – verbindet man Japan übrigens auch häufig mit allumfassender Niedlichkeit. Hello Kitty, Pokémon, und sämtliche Nintendo-Charaktere – ihr kennt sie. Zuckersüß, bunt und mit Kulleraugen – und auch perfekt in allen erdenklichen Formen zu vermarkten an Groß und Klein. Aber ist diese Niedlichkeit in Japan wirklich so präsent?

Ja, tatsächlich. Kein Mythos. Wo im Westen insbesondere Frauen in den Medien oft als “sexy” dargestellt und Mode als “sexy” vermarktet wird, ist es in Japan viel eher das Ideal, als “kawaii” zu gelten. “Kawaii” bedeutet übersetzt etwa “liebenswürdig”, “herzig”, “niedlich”.

Wer mag süße und niedliche Dinge denn nicht? Gerade in Japan wird diese Kawaii Culture wirklich an die Spitze getrieben, und ist ein fest verankerter Bestandteil der Kultur.

Was Kleidung betrifft, ist die sogenannte Decora Fashion wohl die deutlichste Ausprägung dieser Niedlichkeit. Decora Fashion ist absolut keine Alltagskleidung, sondern gleicht eher einer Kostümierung. Sie hat den Ursprung im Tokioter Stadtteil Harajuku und der Begriff bedeutet soviel wie “sich selbst zu dekorieren” – also sich mit einer Unmenge an Kleinzeug zu behängen. Sprich: menschgewordener Weihnachtsbaum. Von bunten Plastikanhängern in Obstform über niedliche Ketten mit Hundegesichtern bis hin zu schrillen Perücken. Als Kostümierung oder Bühnenoutfit absolut fabelhaft und beeindruckend.

 

Niedlichkeit als weibliches Ideal?

Aber die Kultur der Niedlichkeit, die Kawaii Culture, endet halt nicht auf der Bühne; auch nicht bei Kindern und Jugendlichen. Sie zieht sich bis in den Alltag Erwachsener hinein und prägt damit auch die Rollenerwartungen an insbesondere Frauen. Wenn kindliche Niedlichkeit und Unschuld als das weibliche Ideal gilt, habe ich schon meine Bedenken, wie es da um die Gleichstellung der Geschlechter steht. Für den sozialen Status der Frau ist es sicher alles andere als förderlich, wenn die höchste Erwartung an sie “Lieblingswürdigkeit” lautet.

Bis zu einem gewissen Grad kennen wir das alles natürlich auch aus dem Westen. Weibliche Politikerinnen werden vermehrt auch nach ihrem Erscheinungsbild beurteilt. Wenn sie sich in Rage reden gelten sie gleich einmal als hysterisch oder als “schwierig”. Männliche Politiker hingegen können noch so aggressiv gestikulieren und gelten dann erst recht als glaubhafte, starke Führer. Wenn wir in Österreich hinsichtlich der Gleichberechtigung noch Arbeit vor uns haben, dann bedarf es in Japan eher einer ganzen Revolution.

Ein anderes Beispiel für “kawaii” ist etwa die verrückt hohe Piepsstimme von Frauen in der Serviceindustrie. Die Stimmlage, in der viele Kellnerinnen sprechen, kann das ein oder andere Glas zum zerbersten bringen. Das ist vor allem für Neuankömmlinge in Japan immer sehr skurril. In den meisten Fällen ist das übrigens nicht die natürliche Stimmlage dieser Frauen, sondern einfach die eingeschaltete “Service-Stimme”, die anscheinend als besonders höflich und eben auch wieder als süß und unterwürfig gilt.

Figuren aus Anime, Manga und Videospielen sind ja äußerst dankbare Objekte. Sie lassen sich in jeglicher erdenkbarer Form vermarkten. Es gibt in Japan vermutlich nichts, was es nicht mit Comic-Aufdrucken gibt. Von Reisgewürz bis Putzmittel. Es gibt eigene Themen-Cafés, wie Maid Cafés. Es gibt eigene Kawaii Music als Unterkategorie des J-Pop. Das sind dann harte Technobeats in Kombination mit Glöckchen und kindlichen Piepsstimmen. Die allumfassende Niedlichkeit findet sich in Werbespots von Lotterien bis Sojasauce. Sogar Baustellen-Absperrungen haben oft die Form von bunten Comic-Tierchen. Kein Witz!

Ich bin jetzt nicht sicher, ob das überhaupt noch in die Kategorie “niedlich” fällt oder schon viel eher “problematisch” anzusehen ist. Aber in Akihabara, dem Zentrum für Anime und Manga, gibt es einen berühmten, siebenstöckigen Sexshop, zu dem sogar Touristen in Scharen pilgern. Das an sich ist natürlich nicht problematisch. Aber, dass sich dort Sexpuppen finden, die Schulmädchen-Uniform tragen und einfach verdammt jung aussehen. Dann vielleicht doch lieber eine der Alien-Sexpuppen, die Plastikeier in einem ablegen können. Oioioi, wie sind wir jetzt hier gelandet?!

 

Mit Gokarts quer durch Tokio

Wie ihr gehört habt, ist der Lebensalltag hier ja nicht gerade geprägt von Individualismus und Selbstdarstellung. Er ist auch nicht wirklich bunt, um ehrlich zu sein. Zumindest, wenn ich an meinen eigenen Berufsalltag und das regelmäßige Pendeln denke. Gibt es in Japan jetzt also gar keine ausgefallen Aktivitäten?!

In Japan hat halt alles seinen vorgesehen Platz. Es gibt also durchaus Aktivitäten, wo man die Sau rauslassen kann – beim Karaoke, zum Beispiel. Dort ist es absolut akzeptiert oder eher schon ein Muss, sich vor Kolleg:innen und Führungskräften zu betrinken und Popsongs zu gröhlen. Genauso gibt es auch im Fernsehen, und konkret in Game Shows, allerhand Bizarres. Wo Menschen bloßgestellt und erniedrigt werden. Es ist Fernsehen, da darf Verrücktheit stattfinden. Sobald ein Schauspieler oder eine Schauspielerin sich privat aber auch nur den kleinsten Fehltritt leistet, ist er oder sie weg vom Fenster.

Der qualitätsjournalistischen Sendung Galileo sei Dank wurden mein Mann und ich vor ein paar Jahren auf MariCar aufmerksam. Das ist beziehungsweise war ein Gokart-Anbieter. Bunt verkleidet als Super Mario Charakter sind wir damals in Gokarts durch den echten tokioter Stadtverkehr gedüst. Ohne Helm und mit bis zu 60km/h, vorbei an LKWs und dergleichen. Das klingt nach einer wahnsinnig gefährlichen Idee. Ich weiß auch nicht warum, aber mein Mann und ich haben es damals während unseres Urlaubs tatsächlich gemacht. 

Es war, zugegeben, ein absoluter Spaß, aber rückblickend betrachtet auch alles andere als gescheit. Der Anbieter wurde übrigens mehrmals verklagt – nicht etwa wegen Gefährdung der Teilnehmer:innen oder Belästigung der Anrainer:innen. Nein – er wurde von Nintendo wegen Urheberrechtsverletzung verklagt. Nintendo hat letzten Dezember dann auch gewonnen und seither sind die verrückten Gokarts Geschichte.

 

“Verrücktes” Essen in Japan

Und zu guter Letzt muss ich natürlich noch ganz kurz vom Essen sprechen. Gerade japanische Süßigkeiten und Snacks sind im Westen recht beliebt. Und da gibt es durchaus so einige Verrücktheiten! 

Hier in Japan gibt es so unglaublich viele Supermärkte und Convenience Stores – der Konkurrenzkampf um Kunden ist enorm. Gerade die Convenience Stores, die Konbini, wechseln ständig ihr Sortiment, um die Laufkundschaft bei Laune zu halten. Und da ist dann auch viel Platz für kreative Schöpfung. 

Solche Kuriositäten aus dem Konbini sind zum Beispiel Instant-Nudeln mit Apfelkuchen-Geschmack oder Kartoffelchips mit Erdbeergeschmack. Auch Cola mit Gurkenaroma hat es einmal gegeben. Produkte, die nicht funktionieren, sind halt nach 2 Monaten wieder aus den Regalen verschwunden. 

Ein dauerhafter Konbini-Klassiker ist übrigens Yakisoba-Pan. Das ist ein Hotdog-Brötchen gefüllt mit – haltet euch fest – gebratenen Nudeln. Das dann noch dazu ungekühlt im Regal liegt. Ich konnte der Versuchung bislang aber widerstehen.

 

Mysterium Japan?

Ja, die japanische Kultur ist und bleibt für Ausländer wahrscheinlich immer ein gewisses Mysterium. Es steht außer Frage, dass es insbesondere in der Entertainment-Metropole Tokio Dinge gibt, die nicht nur im Ausland sondern sehr wohl auch in Japan als schrill, witzig oder absolut verrückt angesehen werden. Dinge, die vielleicht als Ventil dienen im oft eher pastellfarbenen Alltag. Vielleicht haben wir diese Ventile auch deshalb nicht in Österreich, weil wir hier dafür im Alltag viel mehr individuelle Freiheiten, Emotionen und Ausdrucksmöglichkeiten genießen. Das wäre zumindest meine Theorie.

Die Kuriositäten Japans haben natürlich eine Faszination, und sollen bitte auch bewundert und gefeiert werden dürfen. Bedenklich finde ich es, wenn Berichte über bestimmte Kulturen einfach zu überspitzt werden. Wenn Länder oder die Einwohner:innen dieser Länder als super exotisch vorgeführt und darauf reduziert werden. Kurz gesagt: Japan ist kein Vergnügungspark.

Problematisch sind klarerweise auch jegliche Verallgemeinerungen. Japan hat ja immerhin fast 130 Millionen Einwohner:innen. Bitte denkt nicht, dass sie sich alle komplett konform und homogen verhalten. Ich hoffe, dass das soweit ohnehin logisch ist. 

Aber, wie heute geschildert, gibt es hier einfach die starke Tendenz gerade nach außen hin möglichst konform zu wirken. Zum Wohle der Gruppe das Individuelle in den Hintergrund zu rücken. Die eigene Meinung zurückzuhalten, statt sie lauthals und ungefragt allen um die Ohren zu schmettern. Nach innen, also auch was das Private betrifft, gilt das aber sicher nicht.

 

Vorschnell mit dem Finger zeigen

Als “wilde Westler” sind wir da oft extrem schnell damit mit dem Finger zu zeigen. Ich nehme mich da nicht aus. Es ist halt sehr, sehr einfach über etwas Unbekanntes zu urteilen und zu sagen: “Wahnsinn, das ist doch verrückt!”

Denselben Finger möchte ich an dieser Stelle erheben und mir und euch in Erinnerung rufen: nicht alles, was einem fremd ist, ist gleich verrückt. Andere Menschen haben andere Lebensrealitäten. Und sicher hat auch jede Gesellschaft und Kultur ihre Makel. Und zweitens: ein bisschen Verrücktheit und Farbe im Leben hat, glaube ich, noch keinem geschadet.

Damit beende ich jetzt meine Predigt. 

 

Mein Danke zum Schluss

Zum Abschluss dieser Jahrestagsfolge möchte ich euch Danke sagen. Ich freu mich sehr, in den zwei Jahren so viele und regelmäßige Hörerinnen und Hörer gewonnen zu haben. Dass ihr mich auf diesem Abenteuer in Japan begleitet. Nicht nur ihr wisst mittlerweile erschreckend viel über mich. Auch ich weiß zum Beispiel, dass jede und jeder zweite von euch in meinem Alter ist – also zwischen 28 und 34 Jahre. Auf Spotify liebt ihr Lady Gaga – das will ich auch hoffen! – außerdem die No Angels – mh, okay – und Rammstein.

Die Hälfte von euch streamt meinen Podcast aus Deutschland. Danach folgt meine Heimat Österreich, die Schweiz, Länder in Asien, Amerika, Skandinavien … sehr verrückt! Unglaublich! Für Fragen, Anregungen und allgemeine Lebenszeichen, schickt mir doch gerne eine Nachricht auf Instagram.

Liebe Grüße an diese Stelle hinaus in die weite Welt und 

Bis zum nächsten Mal, mata ne,
euer Ösi in Kawasaki.

 

Dies war die 30. Folge meines Podcasts „Der Ösi in Kawasaki“ als Blogartikel zum Nachlesen. Anhören könnt ihr sie übrigens direkt hier, sowie auf Spotify und Apple.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Required fields are marked *.

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>