Der Ösi in Kawasaki

Japanisch in Japan – Eine neue Sprache lernen ist ein bisschen …

Hübsche Hieroglyphen und hunderte Möglichkeiten sich zu entschuldigen. Die japanische Sprache ist für mich eine echte Herausforderung. Erfährt mehr über das Lernen der Sprache und ihre mitunter skurrilen Eigenheiten.

Dies ist die fünfte Folge meines Podcasts „Der Ösi in Kawasaki“ als Blogartikel zum Nachlesen. Anhören könnt ihr sie übrigens direkt hier, sowie auf Spotify und Apple.

 

Im heutigen Eintrag dreht sich alles ums Thema Sprache. Wer, so wie ich, in ein fremdes Land zieht und vorhat, sich irgendwie und halbwegs erfolgreich durchs Leben zu schlagen, dem wird nichts anderes übrig bleiben als die jeweilige Sprache zu lernen.

Natürlich könnte man meinen, dass man in einem als so fortschrittlich und quasi futuristisch geltendem Land wie Japan auch mit Englisch gut zurechtkommt. Wer meine letzte Folge zum Thema „Kulturschock“ gehört hat, weiß allerdings: weit gefehlt!

 

Mit Englisch kommt man in Japan nicht weit

Denn, wie schon erzählt, lernen die meisten Japaner zwar Englisch, konzentrieren sich aber vorwiegend aufs Lesen und Schreiben. Und ich kann es ihnen nicht verübeln – mein Französischunterricht in der Schule war leider genauso. Wir waren damals zwar als schnellste Klasse mit der Grammatik fertig, unser minimal jähzorniger Professor hat sich aber lieber selbst reden gehört.

Wie dem auch sei… Mein Mann und ich waren vor zweieinhalb Jahren zum ersten Mal in Japan auf Urlaub. Damals konnten wir noch kein Wort Japanisch – außer vielleicht „Konnichiwa“ und „Arigato“. Keine Angst aber – als Tourist klappt es mit ein bisschen Englisch und Google Translate schon auch irgendwie. Die Stationsnamen sind zum Beispiel immer auch in „Romaji“ angegeben, also lateinischen Buchstaben. Die Aussprache ist damit eigentlich recht einfach.

Viele Restaurants haben vor dem Lokal auch lebensechte Nachbildungen der Speisen aus Wachs oder Plastik. Das wirkt anfangs ein bisschen skurril, aber dahinter steht eine echte Kunst. Es ist unglaublich, wie realistisch diese Nachbildungen aussehen. Manche Lokale haben auch englische Speisekarten oder zumindest Fotos der Speisen, auf die man dann zeigen kann. Verhungern wird man also nicht.
Je authentischer und uriger ein Lokal aber ist – und damit auch spannender für uns – desto häufiger sind die Speisekarten dann doch rein auf japanisch. Und oft sogar in verschnörkelter Handschrift. Viel Erfolg damit… 😉

All diese Dinge wussten wir zum Glück schon bevor wir uns auf dieses große Abenteuer eingelassen haben. Bevor das mit unserem Umzug überhaupt sicher war, haben wir daher auch schon begonnen Japanisch zu lernen. Nach knapp zehn Monaten sind wir immer noch weit davon entfernt fließend Gespräche zu führen, aber es ist ein deutlicher Fortschritt erkennbar.

Viele fragen uns, wie wir das überhaupt angegangen sind. Eine Fremdsprache zu lernen ist ja sowieso immer so eine Sache. Aber vor Japanisch – mit all seinen lustigen Schriftzeichen – hatten wir besonderen Respekt.

Es gibt Lehrbücher, die gänzlich ohne japanische Schriftzeichen auskommen. Also nur lateinischen Buchstaben, die Romaji, verwenden. Wahrscheinlich wollen diese Bücher einen zuerst an die Satzstrukturen oder ans Sprechen heranführen, und einen nicht mit Hieroglyphen verwirren. Wenn ihr mich fragt, ist das aber völliger Schwachsinn. Ich habe auch Ratgeber gelesen, die das ebenso ablehnen. Denn auch, wenn es vieles einfacher machen würde – in Japan werden nun mal japanische Schriftzeichen verwendet. Wer also vorhat, nicht nur die Namen von Bahnhöfen in lateinischen Buchstaben zu lesen, der sollte frühestmöglich mit den Schriftzeichen starten.

Ich finde, dass japanische Sätze ein bisschen wie mathematische Formeln aufgebaut sind. Es gibt viele Satzteile und Strukturen, die einander brauchen. Nicht, dass es dadurch viel einfacher wird, aber diese Satzteile erschließen sich einem halt besser, wenn man sie von Anfang an in japanischen Schriftzeichen lernt und beim Lesen wiedererkennt.

 

Japanisch lernen mit Apps?

Gestartet haben wir übrigens mit Apps. Apps bieten eine sehr spielerische und preisgünstige Möglichkeit, gleich mal in eine Fremdsprache einzutauchen. Die App Stores sind ja voll mit Sprachlern-Apps, was die Auswahl nicht gerade leicht macht. Ich habe gefühlt 1.000 davon ausprobiert. Mein Fazit: die populärsten sind schon zurecht populär geworden. Ich würde also auch weiter darauf setzen. Probiert selbst ein paar aus, aber bleibt dann bei der einen oder den zweien, deren Aufbau und Abfrage-Systematik euch am meisten zusagen. Ich habe selbst den Fehler gemacht, zu viele Apps gleichzeitig zu verwenden und damit wurde das Lernen dann sehr unstrukturiert.

 

Hiragana und Katakana lernen

Apps sind enorm hilfreich, um die zwei Schriftsysteme Hiragana und Katakana zu lernen – beides sind Silbenalphabete. Das heißt, wer brav die je 46 Zeichen und ihre Aussprache auswendig lernt, kann gleich einmal alle damit geschriebenen Texte lesen.
Aber freut euch nicht zu früh. Zwar kann man mit den Hiragana und Katakana alle japanischen und ausländischen Wörter schreiben, in Japan dominiert aber leider das dritte Schriftsystem – die sogenannten Kanji.

 

Und dann kamen die Kanji …

Fast alle Kanji-Zeichen sind chinesischer Abstammung. Vor vielen Jahrhunderten wurden sie aus China importiert und sie sind auch mit der Grund, warum die japanische Sprache so kompliziert zu lernen ist. Es heißt, dass im Alltag ungefähr 2.000 dieser Zeichen gebräuchlich sind. Für uns als Lernende umfasst das Einstiegs-Level übrigens 100 dieser Kanji. Und ja, selbst diese wenigen waren schon eine echte Herausforderung.
Denn im Gegensatz zu den vorher genannten Silbenalphabeten hat jedes Kanji eine eigenständige Bedeutung. Das ist aber nicht das Einzige. Denn jedes Kanji hat zudem zwei oder mehrere unterschiedliche Lesungen. Das heißt, je nach Kombination mit einem anderen Schriftzeichen entsteht nicht nur eine völlig neue Bedeutung, auch die Aussprache ändert sich – und diese hat mit Chinesisch eigentlich nichts mehr tun. Japanisch klingt nämlich komplett anders und sollte aber, zumindest für Europäer, um Welten leichter auszusprechen sein.
Es passiert mir oft, dass ich in Texten diese chinesischen Zeichen entdecke, ihre Bedeutung kenne aber nicht ihre Aussprache. Umgekehrt passiert es genauso, dass ich Wörter zwar aussprechen kann, sie niedergeschrieben aber nicht erkenne. Das ist neben der Grammatik auf jeden Fall die größte Herausforderung.

Das Silbenalphabet Hiragana wird übrigens hauptsächlich für Vor- und Nachsilben verwendet, und für grammatikalische Partikel. Das sind jene Satzteilchen, welche in der japanischen Sprache für Ordnung sorgen. Was insbesondere wichtig ist, weil es keine Leerzeichen als Abgrenzung einzelner Wörter gibt.

Häufiger als Hiragana sieht man, denke ich, im Alltag übrigens das Silbenalphabet Katakana. Diese 46 Zeichen werden für Begriffe verwendet, die ihren Ursprung in anderen Sprachen haben. Das sind zum Beispiel unsere Namen oder Länderbezeichnungen. Aber auch ganz alltägliche Wörter wie „Konpyūta“ (Computer), „Chīzu“ (Käse) oder „Kōhī“ (Kaffee). Es gibt erstaunlich viele englischstämmige Wörter, die sich Japan zu eigen gemacht hat. Das ist einerseits extrem hilfreich, oft muss man aber auch ein bisschen raten, was gemeint sein könnte.

Ein fun fact: es gibt auch das ein oder andere japanische Wort mit deutschem Ursprung! Zum Beispiel „arubaito“ (Arbeit) als Bezeichnung für Teilzeitjobs, „rukkusakku“ (Rucksack) oder „gipusu“ (Gips).

Apps sind cool und machen Spaß, sind aber meiner Meinung nach bei weitem nicht alles. Wo sie nämlich deutlich zu kurz greifen, ist die Grammatik. Ja, es gibt Apps, die behaupten, sie würden einem die Grammatik automatisch und ganz unterschwellig beibringen – schön wär’s.

Wer die japanische Grammatik kostenlos lernen möchte, dem kann ich „Tae Kim’s Guide to Learning Japanese“ wärmstens empfehlen. Der gute Herr hat wohl ursprünglich mit einem Blog gestartet, mittlerweile gibt es aber einen ganzen PDF-Wälzer zum Download. Der ist bestens strukturiert und völlig gratis – ebenso wie diese Empfehlung. 😉

Nach dem anfänglichen Selbststudium haben wir dann jedenfalls eine Sprachschule besucht und als Intensivvorbereitung für den Umzug noch Privatstunden genommen. Dankenswerterweise gehen diese hier in Japan auch noch weiter. Dass wir jetzt ständig von der Sprache umgeben sind, trägt zum Fortschritt natürlich auch stark bei.

 

Japanische Höflichkeitsformen und verwirrende Floskeln

All die Grammatik und all das Vokabular sind schön und gut – ein gewisses kulturelles Verständnis ist aber genauso wichtig, um die Sprache richtig einsetzen zu können.
Zum einen gibt es mehrere Höflichkeitsformen – abhängig davon mit wem und über wen man spricht. Mit dem Vorgesetzten verwendet man üblicherweise andere Verb-Endungen und auch Floskeln, als mit Freunden. Die japanische Gesellschaft ist von unendlich vielen Regeln geprägt, insofern werden diese Höflichkeitsformen gerne an die Spitze getrieben.
In den Lehrbüchern findet man hauptsächlich die höflich-neutrale Form, mit der man hier wohl auch am besten durchkommt. Hört man dann aber Freunde unter sich reden, wird man vieles plötzlich nicht mehr verstehen – weil eben die Satzstrukturen anders und deutlich kürzer sind.

Zum Thema Höflichkeit gehört auch, seinen Gesprächspartner quasi aufzuwerten und sich selbst bescheiden zu zeigen. Passend dazu ist auch die Sprache unglaublich indirekt, weil man niemanden vor den Kopf stoßen will. Sein Gesicht zu wahren und auch das des anderen, ist sehr dominant.

Anstatt beispielsweise etwas mit einem „Nein“ abzulehnen, hört man Japaner üblicherweise sagen: „Chotto…“ Das bedeutet eigentlich nur „Ein bisschen“. Ein bisschen wovon?! Das könnte einen als Europäer schon zur Weißglut treiben. Jedenfalls steht dieses kleine, unschuldige Wort eigentlich für „Das ist ein bisschen ungünstig“ oder „Das passt mir eigentlich nicht.“ Es ist völlig legitim eine Anfrage mit „Chotto…“ abzulehnen, ohne einen genauen Grund zu nennen. Auf Deutsch wäre das undenkbar – aber in Japan wird sich der Gesprächspartner hüten, dann nachzubohren und damit sein Gegenüber in Verlegenheit zu bringen. Als ein höfliches „Nein danke“ bietet sich z. B. „kekkō desu“ an. Dessen Bedeutung variiert allerdings je nach Situation von einem „Nein danke“ über „Ich habe schon genug“ bis hin zu „Das passt wunderbar!“

 

Entschuldigen auf Japanisch

Passend zur typisch japanischen Demut, gibt es hier auch hunderte Varianten um sich zu entschuldigen. Der Allrounder ist sicherlich „Sumimasen“ – angebracht z. B. im Zug, wenn man jemanden bitten möchte umzustehen. Es gibt aber auch eigene Entschuldigungs-Floskeln, wenn man z. B. einen Raum betritt, in dem sich SCHON jemand befindet oder wenn man einen Raum verlässt, in dem sich NOCH jemand befindet.
In Japan gibt es übrigens leider keine Universalfloskel, um sich zu verabschieden. Das bekannte „Sayōnara“ hört man fast nie – es ist eher ein bedeutungsschwangeres „Lebewohl!“. Im Berufsalltag nutzt man auch hier eine Entschuldigungsfloskel, nämlich „Osaki ni shitsureishimasu“. Das bedeutet soviel wie „Bitte entschuldige, dass ich schon vor dir nach Hause gehe“.

 

Mein Fazit

Für uns als Japanisch-Lernende ist es enorm wichtig, solche Alltagsfloskeln nicht nur zu kennen, sondern eben auch richtig zu deuten. Das können einem Apps leider nicht abnehmen. Gleichzeitig, finde ich, dass das Sprachelernen dadurch auch zu etwas Lebendigen wird.

Ich habe seit der Schulzeit keine Sprache mehr gelernt. Insofern finde ich es jetzt umso spannender endlich wieder eine zu lernen und dann auch die Möglichkeit zu haben, sie jeden Tag anzuwenden. Sei es mit meiner Lehrerin, im Restaurant, im Supermarkt – wenn ich nach etwas frage – oder mit einem Tandem-Partner.
Da ich hier lebe und ich bis zu einem gewissen Grad auf die Sprache angewiesen bin, setzt mich das aber auch unter Druck. Ich will nicht lügen – Japanisch zu lernen ist für mich eine absolute Herausforderung und sicher nicht immer nur lustig. Manchmal denke ich mir: ich werde wohl nie flüssig sprechen können. Aber es geht eben einfach Schritt für Schritt.

Man muss dranbleiben und sich über jeden kleinen Fortschritt freuen. Wenn ich bedenke, dass wir erst im Januar damit gestartet haben, kann ich wohl schon auch ein bisschen stolz sein.

Ich hoffe, unter euch war der ein oder andere Sprach-Nerd, der das heutige Thema interessant gefunden hat. Ich entschuldige mich jetzt jedenfalls höflich dafür, dass der Eintrag nun zu Ende ist. Und bedanke mich in vollster Unterwürfigkeit fürs Lesen.

Euer Ösi in Kawasaki

 

Dies war die fünfte Folge meines Podcasts „Der Ösi in Kawasaki“ als Blogartikel zum Nachlesen. Anhören könnt ihr sie übrigens direkt hier, sowie auf Spotify und Apple.

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